Hast du dich eigentlich mal gefragt, wer dein Kunde ist?
Auch deine Mitarbeiter sind Kunden deines Unternehmens.
Es sind die Kunden für dein Produkt Arbeitsplatz. Ganz gewiss hast du dir auch schon reichlich Gedanken über die eigentlichen Kunden deines Unternehmens gemacht. Gemeint sind diejenigen, die man üblicherweise als Kunden versteht und die letztlich durch ihre finanzielle Leistung das erforderliche Geld für Löhne, Material, Steuern und all die anderen Kosten deines Unternehmens zur Verfügung stellen. Das ist alles gut und richtig, dennoch frage ich dich bewusst danach, wer dein Kunde als Unternehmer ist, also eben nicht die Kunden des Unternehmens. Wenn dir jetzt Bilder von Gesellschaftern und Aktionären in den Kopf kommen, dann will ich dich auch hier enttäuschen. Diese finanzieren als Kapitalgeber das Unternehmen, sie sind jedoch auch nicht die Person, nach der ich gefragt habe.
Nach meiner Wahrnehmung hat der Unternehmer nur einen einzigen Kunden, seinen Nachfolger.
Und das Produkt ist das Unternehmen selbst. Du hast also die Verantwortung, dass dieses Produkt für einen Nachfolger maximal attraktiv ist. Das kann es nur sein, wenn es über dich, deine Persönlichkeit und dein Wirken weit hinaus zukunftsfähig ist, wenn es heute so stabil ist, dass es auch morgen und in Zukunft den Krisen und Veränderungen trotzen kann – ohne dich.
Was deinem Nachfolger in erster Linie von dir bleibt, sind deine Mitarbeiter. Auch deshalb ist es so wichtig, diese von dir und deinen Entscheidungen unabhängig zu machen.
Auch ich musste und konnte sehr auf die Kontinuität und Erfahrung bestehender Mitarbeiter im Rahmen des Generationswechsels zwischen meinem Vater und mir zählen. Wie hätte ich auch als Neuling in dieser Firma und in dieser Branche anders bestehen können? Da reicht die Zusammenarbeit mit dem Vorgänger natürlich nicht aus. Insbesondere unser damaliger Betriebsleiter hat es in herausragender Weise verstanden, mich einerseits an die Hand zu nehmen und sich andererseits von mir hinsichtlich der Neuausrichtung des Unternehmens an die Hand nehmen zu lassen. Er hat sogar deutlich früher als ich erkannt, welche Bereiche die Zukunft des Unternehmens bedeuten und von welchen Bereichen wir uns trennen müssen. Vor der Schließung der Abteilungen Heizung und Sanitär wusste er mich in einzigartiger Weise zu bestärken, denn er kannte die Firmenhistorie ebenso gut wie die Familienhistorie. So fand ich eines Morgens, als er längst wusste, wie hart ich zu dieser Entscheidung mit mir rang, einen Zettel auf meinem Schreibtisch:
Wenn ein Pferd tot ist, steig ab.
Der Spruch ist altbekannt und dennoch war es die entscheidende Botschaft zum richtigen Zeitpunkt. Der Gedanke an deinen Nachfolger als deinen einzigen Kunden für dich als Unternehmer mag dir noch weit weg erscheinen. Vielleicht kennst du deinen Nachfolger auch schon. Egal! Für dich und deine Unternehmensführung ist es entscheidend, dieses zu jeder Zeit so zu führen, aufzustellen und auszurichten, dass es für einen möglichen Nachfolger maximal attraktiv ist. Der Tag, an dem dein Nachfolger übernimmt, kann schneller kommen als du denkst. Du lernst eine neue Liebe kennen und mit ihr möchtest du am anderen Ende der Welt neu anfangen. Dann willst du dein Unternehmen lieber gestern als morgen veräußern. Oder dein Arzt konfrontiert dich mit einer Diagnose, die dir für die verbleibende Zeit vieles wichtiger erscheinen lässt als dein Unternehmen. Auch dann hast du gegenüber deinen Mitarbeitern die Verantwortung dafür, dass es nach dir weitergeht. Manchmal lässt das Schicksal einem nicht einmal die Zeit dafür und es ist ganz plötzlich vorbei.
Hast du einen Plan in deinem Schrank, was dann gilt, wer bis zu einem Verkauf oder einem Einstieg potenzieller Nachfolger die täglichen Entscheidungen trifft, wer eine Bankvollmacht hat? Deine Lieferanten und Mitarbeiter werden ganz sicher nicht bis zu einer Testamentseröffnung warten können, bis deren Ansprüche erfüllt sind. Ich habe für genau diesen Fall mein Testament und Ehevertrag mit Eintritt in das Unternehmen gemacht. Beide Dokumente regeln Trennung und Erbfolge so, dass das Unternehmen maximal geschützt ist und keine Zweifel darüber aufkommen, wie es auch ohne mich weitergeht. Ähnlich gestalten sich die Bestimmungen in meiner Vorsorgevollmacht. Neben den Regelungen darüber, wer auch bei meiner vorübergehenden Handlungsunfähigkeit das Zepter der Firma in Händen hat, ist dort zum Beispiel auch festgelegt, dass ich nicht ohne Aussicht auf Genesung der Apparatemedizin bis zum Äußersten preisgegeben sein möchte. Zusätzlich kann das Unternehmen mehrere Monate ohne mein Zutun und auch ohne jeden anderen Geschäftsführer funktionieren, denn alle Entscheidungsprozesse sind bereits an die Prokuristen- und Leitungsebene delegiert.
Es war mir schon bei meiner ersten Arbeitsstelle wichtig, meine Arbeit so zu gestalten und zu dokumentieren, dass ich jederzeit ersetzt werden kann. Denn dann lasse ich Raum für andere sich zu entwickeln, sich auszuprobieren und mich dadurch zu entlasten. Und ich schaffe für mich die Gelegenheit, mich auf die Dinge zu konzentrieren, für die ich tatsächlich gebraucht werde, die mir besondere Freude bereiten. Es erfordert von mir keine zusätzliche Handlung oder Entscheidung, ob ich nun für sechs Monate oder alle Tage plötzlich oder absichtlich nicht mehr an meinen Platz zurückkehre. Der Kreis der Gesellschafter ist im Bedarfsfall dann eher aus formalen und Haftungsgründen angehalten, zügig einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Auch für den digitalen Nachlass ist mit einer gut gesicherten Ablage aller Passwörter gesorgt. Für Mitarbeiter und Gesellschafter bringt diese Vorgehensweise ein hohes Maß an Sicherheit. Mir aber bringt es neben dem guten und sicheren Gefühl, vorgesorgt zu haben, noch viel mehr. Es macht mich leicht. So kann ich mit Leichtigkeit der Zukunft entgegentreten.
Die möglichen Sorgen von morgen sind durch Vorsorge vom Tisch und wer sich nicht sorgen muss, ist frei und leicht.
Leichtigkeit ist mein Grundmotiv. Ich suche immer danach wie ich mir eine Situation, eine Aufgabe, ein Problem leichtmachen kann. Meistens geht das durch Relativierung, indem man sich selbst oder ein Problem in Bezug zum Universum richtig einordnet. Es geht aber auch durch Geduld, den Dingen und anderen Menschen Zeit zu lassen für die Entwicklung, die es eben benötigt. Und dann wieder geht es nur durch hartes Training. Ein Widerspruch? Keineswegs! Wenn dir für die Zukunft etwas leichtfallen soll, dann kann es notwendig sein, dafür zunächst viel zu lernen, oder viel zu üben. Mit genügend Wissen und Übung wird es dir dann leichtfallen. Was heute noch nicht leicht ist, soll dir morgen leicht von der Hand gehen. Dieses Grundmotiv, vielleicht auch Grundkonzept der Leichtigkeit ist so umfassend, dass ich für dich dazu noch eine ganze Buchserie geplant habe. Darin betrachte ich Erfolg, Führung, Veränderung und Machtwechsel aus der Perspektive der Leichtigkeit.
Es gibt noch tausend Gründe und Szenarien, warum du dein Unternehmen zu wirklich jeder Zeit zu einem attraktiven Preis veräußern können solltest. Und zwar in einem Zustand, dass es auch ganz ohne dich weiterhin erfolgreich funktionieren kann. Diese Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit – im Unternehmen, wie im Leben – wird deine Sichtweise beeinflussen. Das ist nicht nur gut, sondern auch eine entscheidende Einsicht. Leider ist der Begriff der Demut etwas aus der Mode gekommen und wird häufig mit einer gewissen Unterwürfigkeit assoziiert. Das ist natürlich Quatsch. Der Begriff stammt aus dem Althochdeutschen diomuoti und bedeutet dienstwillig, also eigentlich die ‚Gesinnung eines Dienenden‘. Der Grad unserer Demut zeigt uns an, wie sehr wir wirklich unsere eigene Unbedeutsamkeit und Endlichkeit verinnerlicht haben.
Erst das Empfinden der Demut gibt dir den Schlüssel für einen gelingenden Generationswechsel.
Die zweite Voraussetzung für ein Überleben deines Unternehmens über dein persönliches Wirken hinaus ist, dass es für etwas steht, das größer ist als du selbst. Dazu ist es hilfreich, wenn nicht sogar Voraussetzung, mit dem Unternehmen eine gerechte Sache zu verfolgen. Um hier tiefer einzusteigen, möchte ich dir zwei Bücher von Simon Sinek ans Herz legen:
Frag immer erst warum[i]. Dieses Buch hilft dir zu verstehen, wie wichtig es ist zu wissen, was einen antreibt und wie sich das im Unternehmen wiederfinden lässt, damit es neben dir auch andere antreibt.
Das unendliche Spiel[ii] räumt mit der irrwitzigen Behauptung auf, es handele sich bei der „Wirtschaft“ um ein Spiel, das man gewinnen oder verlieren könne. Wenn Spielbeginn, Spielende, Regeln und Ergebnisbewertung nicht festgelegt sind, dann kann man ein Spiel eben nicht gewinnen. Diese Sicht ist endlichen Spielen, wie einem Fußballmatch, vorbehalten. Im unendlichen Spiel geht es nur um eines: im Spiel bleiben – und das möglichst lange. Sinek zeigt eindrucksvoll auf, welche Folgen eine Unternehmensführung hat, die glaubt sich in einem endlichen Spiel zu befinden, um am Ende (wann genau soll das bitte sein?) als Sieger (woran genau wird das bitte festgemacht?) „vom Platz zu gehen“.
Die meisten Konzernlenker wähnen sich in einem endlichen Spiel und trachten danach zu siegen, schlimmer noch, den Wettbewerb zu besiegen.
Die Entscheidungen sind dann lediglich auf die nächste Vertragsverlängerung des Vorstands, oder noch schlimmer auf die nächsten Quartalszahlen samt Bonus ausgerichtet. Elon Musk hingegen stellte Tesla und dessen Aktionäre von Anfang an auf ein unendliches Spiel ein. Jahrelang wurde beständig mehr Geld in Investitionen für die Zukunft gepumpt, als das Unternehmen auch nur annähernd am Markt hätte erwirtschaften können. Möglich war dies nur, weil Musk Aktionäre wie Mitarbeiter mit seiner Vision des emissionsfreien Individualverkehrs geradezu entflammt hat. So zog diese Idee beständig so viel Kapital an, dass Investitionen in ein eigenes Schnellladenetz, oder eine eigene Batteriefertigung überhaupt erst möglich wurden. Die deutschen Automobilkonzerne hingegen haben, die Quartalszahlen vor Augen, diesen Weg anfangs belächelt, dann totgesagt, schließlich gefürchtet. Inzwischen laufen sie eifrig hinterher – aber eben nur hinterher. Mit dem deutschen Staat im Rücken und dem to big to fail-Nymbus werden die meisten diese Fehleinschätzung wahrscheinlich überleben, aber die deutschen Konzerne und letztlich auch uns Steuerzahler kostet das einen Haufen Geld. Und warum? Weil die deutschen Konzernlenker in Sieg und Niederlage denken und keine langfristige Mobilitätsvision haben.
Der dritte Aspekt eines gelungenen Unternehmensübergangs ist wieder sehr eng mit dir persönlich und damit mit deinen Gefühlen und deiner Wahrnehmung verbunden.
Stell dir vor, du stehst auf einem Schiff bei unruhiger See. Du bist der Kapitän und hast das Steuer fest im Griff. Das Schiff stampft und rollt, die Gischt geht ein ums andere Mal schäumend über Deck. Alles kein Problem, du gibst dem Schiff Halt, denn du bist erfahren. Aber auch das Steuer, welches du festhältst, gibt dir Halt. Nun sollst du mit Blick auf deinen Nachfolger das Steuer abgeben, also loslassen…
Was gibt dir jetzt noch Halt? Was stellt sicher, dass der von dir gesetzte Kurs auch gehalten wird? Oder doch lieber weiter festhalten, weiter den Kurs selbst bestimmen, denn das macht dir Freude, es erfüllt dich, es ist das, was du wirklich gut kannst!? Na klar, du bist ein erfahrener Kapitän. Wie viele Generationswechsel scheitern genau daran, dass der Senior nicht loslassen kann? Vielleicht konnte dir das gezeichnete Bild vermitteln, warum das so ist.
Loslassen, ohne einen neuen Halt, eine neue Aufgabe zu haben, ist haltlos.
Mit einer neuen Aufgabe wirst du dich nicht wie viele Altvorderen an dem Einzigen festklammern, was du zuvor schon in der Hand hattest und einschätzen konntest. Wenn du also vor der Aufgabe stehst, loslassen zu müssen, dann frage dich rechtzeitig, woran du dich als nächstes festhalten, welcher Aufgabe du dich widmen möchtest, und ob dies für dich eine ähnliche, oder vielleicht sogar größere Befriedigung verspricht als dein Unternehmen heute. Wenn du das Richtige gefunden hast, dann kannst du dich daran festhalten und es trägt dich mit Leichtigkeit davon. Ich berichte stets gerne davon, was mein Vater alles richtig gemacht hat, als er die Unternehmensleitung an mich übergab. Für die Größe, die das erforderte, bin ich ihm bis heute dankbar.
Die Auseinandersetzung mit meinem ganz persönlichen Warum und die Planung einer neuen Herausforderung außerhalb des eigenen Unternehmens, die mich im Idealfall davonträgt und meinem Nachfolger reichlich Raum zur Entfaltung lässt, hat mich motiviert das Buch “Der Humanunternehmer” zu schreiben. Allem voran möchte ich anderen davon berichten, sie daran teilhaben lassen, was für mich ein Humanunternehmen ist. Das ist meine ganz persönliche Mission. Möglichst vielen Menschen zeigen, dass eine andere Art der Unternehmensführung möglich und vor allem langfristig erfolgreich ist. Dies durch Beispiele aus der eigenen Praxis, dem eigenen Unternehmen.
Die Idee eines Humanunternehmens, einer menschenorientierten Unternehmensführung, fühlt sich für mich größer an, als ich selbst.
Ich bin nicht der Erste und auch nicht der Einzige, der diesen Weg eingeschlagen hat. Vielleicht gelingt es mir aber in aller Demut durch Vorleben und Vormachen möglichst viele Unternehmer und zunächst einmal dich von dieser Idee zu überzeugen. Und, so hoffe ich, möglichst viele hinter dieser Idee zu versammeln, damit wir alle gemeinsam aus dieser Welt einen besseren Ort machen.
Ich freue mich schon darauf, viel häufiger als bisher auf einer Bühne zu stehen und in Vorträgen Unternehmer zu berühren, zu inspirieren und davon zu begeistern, ihr Unternehmen anders zu sehen und zu betreiben, als dies gemeinhin gelehrt, gefordert oder auch nur als richtig unterstellt wird. Meinen möglichen Nachfolger habe ich schon fest vor Augen. Was ich noch für ihn tun kann: mit ihm gemeinsam das Warum des Unternehmens bis in den letzten Winkel an alle Mitarbeiter und an unsere Kunden zu tragen. Unsere Art des Miteinanderwirkens haben wir auf unserer Webseite für alle lesbar platziert:
Warum wir es machen…
Wir sind überzeugt, dass wir die Welt zu einem besseren Ort machen können. Warum? Weil es uns auf den Menschen ankommt. Bei unseren Kunden, Lieferpartnern, Mitarbeitern und allen übrigen Menschen. Unsere Leistung ist immer ein Mittel zu Ihrem Zweck. Wir wollen so langjährige und verlässliche
Beziehungen zwischen Menschen aufbauen. Bei zunehmender Beschleunigung von Veränderungen braucht es nach unserer festen Überzeugung Verlässlichkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen. Wir wollen nur dann ein Geschäft machen, wenn alle Seiten gewinnen. Nur dann sind wir Vorbild für eine bessere Art des Miteinanders.
Wir verstehen uns als Wertschöpfungsretter. Durch Umbauten und Reparatur wollen wir Ressourcen schonen und immer dann Neuinvestitionen unserer Kunden vermeiden helfen, wenn man aus dem Vorhandenen noch etwas machen, noch etwas herausholen kann. Manchmal ist es dafür erforderlich, besondere Wege zu gehen und größere Mühen in Kauf zu nehmen und einiges mit großer Geschwindigkeit vielleicht auch bei laufender Produktion zu leisten.
Dafür stehen wir, das treibt uns an und das wird meinen Nachfolger antreiben.
Fragen zur Reflexion:
Was treibt dich an?
Unterscheidet sich das von dem, was dein Unternehmen antreibt?
Wohin führt dich dein Weg, wenn sich dieser von der Firma entfernt?
Was treibt dein Unternehmen an, das größer ist als du selbst?
[i] Simon Sinek,
Frag immer erst warum
Wie Führungskräfte zum Erfolg inspirieren
2014 erschienen im Redline Verlag
ISBN 978-3-86881-538-2
[ii] Simon Sinek,
Das unendliche Spiel
Strategien für dauerhaften Erfolg
2019 erschienen im Redline Verlag
ISBN 978-3-86881-746-1
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