Wann immer ich von Leichtigkeit spreche, wird dies schnell als Leichtfertigkeit missverstanden, oder direkt damit verwechselt. Dabei sind doch die Unterschiede zwischen beiden Begriffen größer, als diese kaum sein könnten.
Leichtigkeit entsteht aus dem Loslassen.
Loslassen gleicht einem Trapezartisten, der durch tausendfache Wiederholung genau weiß wo er anschließend landen wird und mit schlafwandlerischer Sicherheit das gegenüberliegende Trapez ergreift. Lässt du nicht los, schwingst du nur am gleichen Platz immer hin und her. Du gewinnst keine Leichtigkeit, keinen freien Flug.
Wie viele Tätigkeiten kennen wir, die so unfassbar leicht aussehen. Erst wenn wir es selbst probieren, lernen wir wie schwierig es tatsächlich ist. Sei es ein Zauberer, ein Artist oder ein Spitzensportler. Je leichter es aussieht, umso mehr hartes, unablässiges und tägliches Training steckt dahinter. Kann es dann in der Führungsarbeit anders sein? Loslassen kann ich doch auch erst den Fahrradsattel eines Dreijährigen, wenn ich mir hinreichend sicher bin, dass er zum einen schon ein paar Meter schafft und vor allem sich zum anderen sicher abfangen kann, wenn die erste Fahrt unabwendbar enden wird. Kannst du dann aber erstmals loslassen, wird alles leichter. Nicht nur dadurch, dass du dich aufrichten und den entstandenen Rückenschmerz ein wenig vergessen kannst. Auch dein Herz hebt sich voller Stolz und Freude über jeden Meter, den der Stepke dort zurücklegt.
Diese Leichtigkeit bleibt aber als Geschenk nicht nur auf dich beschränkt. Auch der Knirps spürt plötzlich, dass dort niemand mehr durch den festen Griff am Sattel nicht nur Halt gibt, sondern vor allem Richtung und Geschwindigkeit bremst. Das ist frei und leicht für beide. Was nicht abreißt ist der Kontakt – und darauf kommt es an!
Leichtfertigkeit mündet im Alleinlassen.
Ohne Training, oder Unterstützung und Rahmen – wie sähe das aus. Ja, auch dann würde unser Knirps womöglich früher oder später das Fahrradfahren erlernen. Er wäre aber dabei ganz auf sich gestellt. Die Anzahl und Folgen seiner Stürze dürften größer sein. Es ist auch mehr als wahrscheinlich, dass er die ersten Versuche dazu auch erst deutlich später unternehmen würde, wenn überhaupt. Noch schlimmer: Wer klatsch und feuert ihn an? Wer gibt ihm die Bestätigung auf dem richtigen Weg zu sein? Seinem Kind den Rücken zu kehren und es diese Erfahrung allein machen zu lassen, ist dann eben auch leichtfertig.
Der Unternehmer auf dem Golfplatz.
Ich erlebe immer wieder Unternehmer, die sich damit brüsten kaum noch im eigenen Unternehmen präsent sein zu müssen. Endlich haben sie es geschafft! Sie sind frei und verbringen große Zeitanteile mit dem, worauf sie am meisten Lust haben. Das ist dann auch gerne mal die sympolträchtige Runde auf dem Golfplatz, denn Golf als Sport ist extremer Zeitluxus. Eine volle Runde dauert gerne schnell zwischen vier und fünf Stunden. Mit ein wenig Aufwärmen auf der Driving Range und dem Putting Grün sowie dem anschließenden obligatorischen Bierchen auf der Terrasse des Golfclubs, ist ohne weitere Mühe der gesamte Tag gefüllt. Allzu oft wird dabei der Kontakt zum Alltagsgeschäft des Unternehmens lose. Manchmal reicht diese Leichtfertigkeit soweit, dass der Betrieb unversehens allein gelassen ist.
Die Vernachlässigung der Unternehmeraufgaben.
Das ist zunächst kein ernstes Problem, sofern der Unternehmer die Strukturen im eigenen Unternehmen so entwickelt hat, dass alle Fachkraft- und Manageraufgaben geklärt und Mitarbeitern zugeordnet sind. Den Aufgaben als Unternehmer kann er sich aber nur schwerlich entziehen, wenn er in dieser Rolle nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden will. Der Unternehmer setzt durch seine ultimative formale Macht den Rahmen. Darüber gibt er der Entwicklung der Unternehmenskultur eine Richtung. Er ist auf der Seite zum Markt das Gesicht des Unternehmens – zumindest ist das sehr häufig so und gerade in diesen Zeiten von zunehmender Bedeutung. Seine Persönlichkeit bindet Menschen, ob als Kunden oder als Mitarbeiter, an das Unternehmen.
Die Konzentration auf die Mitarbeiter ergibt größere Freiheiten.
Selten gelingt es einem Unternehmer Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen zu binden. Häufig liegt der Schwerpunkt auf einer der beiden Gruppen. Bei der Priorisierung der Kunden ist die Hinausentwicklung aus den Sachzwängen des operativen Geschäfts ungleich schwieriger. Zusehends wird der Unternehmer dann zum Flaschenhals der gesamten Organisation. Die Fokussierung auf die Mitarbeiter befreit hiervon und macht das eigene Geschäftsfeld beliebig skalierfähig. Dies setzt immer voraus, dass die Sache mit dem Fahrradfahren auch intensiv genug geübt wurde. Hä? Naja, das Fahrradfahren steht hier natürlich für die volle Konzentration aller Mitarbeiter auf den Kundennutzen. Dabei ist der direkte Kundenkontakt möglichst vieler Mitarbeiter ein wichtiger Beitrag.
Das setzt Loslassen und eben nicht Alleinlassen voraus.
Nur wenn ich als Unternehmer das operative Geschäft und insbesondere den direkten Kundenkontakt in die Hände gut geschulter Mitarbeiter lege, kann ich mich ganz auf Führung, die Entwicklung der Führungskräfte, die Strategieentwicklung und die Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Unternehmensentwicklung konzentrieren.
Ich persönlich habe im operativen Geschäft des Unternehmens inzwischen keinerlei Entscheidungsanteile mehr. Gleichwohl habe ich besonders hohe Präsenzanteile im Unternehmen, um beständig daran zu arbeiten das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.
Und Du?
Wieviel Zeit verbringst du im Unternehmen?
Zu wieviel Prozent arbeitest du dann AM und zu viel Prozent IM Unternehmen?
Hast du deine Mitarbeiter schon mal gefragt, ob sie sich allein gelassen fühlen?
Oder fühlen sie sich eingeengt, beschränkt?
Was überwiegt bei dir?
Nutze gerne die Kommentarfunktion und tritt mit mir in den Dialog.
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